Augentraining: Sehschärfe verbessern (?)

Auge
Menschliches Auge

Immer wieder hört und liest man über sog. "Augentraining". Die Anbieter versprechen, dass man damit die Sehschärfe verbessern kann. Im Falle einer Fehlsichtigkeit wie Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit, Astigmatismus als Folge einer Hornhautverkrümmung oder Alterssichtigkeit könnte man durch Augentraining sogar auf die Brille verzichten - so die Versprechungen. Aber funktioniert das wirklich?

Im Folgenden eine paar allgemeine Hinweise, die verdeutlichen, warum das nicht auf Dauer funktionieren kann - und warum es dennoch gut ist, die Augen regelmäßig mit Trainingsübungen fit zu halten.

Dioptrische Apparat des menschlichen Auges
Dioptrische Apparat des menschlichen Auges

Warum kann man überhaupt scharf sehen?

Um zu verstehen, ob und wie Augentraining wirken kann, muss man sich zunächst vergegenwärtigen, wie das Auge an sich überhaupt funktioniert. Der dioptrische Apparat des Auges besteht im Wesentlichen aus der Hornhaut und der Augenlinse. Scharf sehen kann man, weil die Brechkraft des Auges das Bild, das man fokussiert, direkt - quasi punktförmig - auf der Netzhaut im Auge auf der sog. Fovea (siehe Makula) abbildet. Bei Kurzsichtigkeit ist der Augapfel - im Verhältnis zur Brechkraft des optischen Apparates - zu lang. Das ist angeboren und entwickelt sich im Laufe des Wachstums. Da kann man nichts gegen machen, auch kein Training hilft dabei. Versprechungen, das man die genetisch festgelegte physiologische Ausbildung des Körpers durch Muskelkraft verändern könne, sind unseriös, weil in keinster Weise belegbar.

Warum funktioniert Augentraining trotzdem?

Viele Erfahrungsberichte deuten nun aber darauf hin, dass das Augentraining dennoch etwas bringe. Der subjektive Seheindruck ist nach regelmäßigen Augenübungen besser als zuvor. Wie kann das sein?

Der Prozess des Sehens bzw. des "scharfen Sehens" ist ziemlich komplex. Mit bedacht werden müssen:

Mit Hilfe von Akkommodation kann die Augenlinse relativ gut Brechungsdifferenzen korrigieren. Aber das bedeutet eine "anormale" Anstrengung. Normalerweise misst man die Sehkraft im entspannten Zustand - also ohne jegliche Anstrengung.

Einfache Übungen zum Augentraining (Augen entspannen)

Augentraining zur Entspannung - einfache Übungen
Augentraining zur Entspannung - einfache Übungen

Es gibt verschiedene einfache Übungen, die das Augentraining unterstützen können. Sie dienen dazu, die Augen zu entspannen und für ein allgemeines Wohlbefinden zu sorgen. Vor allem Menschen, die dauerhaft vor dem Bildschirm arbeiten, ist es ratsam, diese Übungen mehrmals täglich zu machen. Hier sind einige Beispiele. Wichtig: wenn Sie bei einer Übung Schmerzen haben, bitte sofort abbrechen. Das ganze dient der Entspannung, nicht der Qual.

  1. Palming: Reiben Sie Ihre Hände zusammen, um sie zu erwärmen, und legen Sie dann Ihre Handflächen sanft über Ihre geschlossenen Augen. Entspannen Sie sich dabei und lassen Sie Ihre Augen für einige Minuten in völliger Dunkelheit ruhen
  2. Fokussierung: Wählen Sie einen Punkt in der Ferne und fokussieren Sie Ihre Augen darauf. Wechseln Sie dann den Fokus auf einen Punkt in Ihrer Nähe. Wiederholen Sie diesen Wechsel mehrmals, um Ihre Fähigkeit zur Anpassung an verschiedene Entfernungen zu verbessern.
  3. Augenrollen: Bewegen Sie Ihre Augen langsam in kreisförmigen Bewegungen im Uhrzeigersinn und dann gegen den Uhrzeigersinn. Führen Sie mehrere Umdrehungen in jeder Richtung durch, um die Augenmuskulatur zu stärken und die Flexibilität zu verbessern.
  4. Nah-Fern-Fokus: Halten Sie Ihren Daumen etwa 30 cm vor Ihren Augen und konzentrieren Sie sich darauf. Wechseln Sie dann den Fokus auf ein Objekt in weiter Ferne. Wiederholen Sie diesen Fokuswechsel mehrmals, um die Flexibilität Ihrer Augenmuskeln zu verbessern.
  5. Augentraining - einfache Übungen für Sie und Ihn
    Augentraining - einfache Übungen für Sie und Ihn
  6. Blick in die Ferne: Suchen Sie sich einen Punkt in weiter Ferne, zum Beispiel einen Baum oder ein Gebäude, und konzentrieren Sie Ihren Blick darauf. Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit, um Ihren Blick in die Ferne zu entspannen und die Weite wahrzunehmen.
  7. Augen schließen und Pupille rollen: Ganz einfach die Augenlider schließen und dann die Pupillen unter dem geschlossenen Lid nach oben und unten sowie nach links und rechts bewegen. Anschließend Pupille ausruhen und entspannen.
  8. Blinzeln: Blinzeln Sie bewusst und häufig, um Ihre Augen mit ausreichend Feuchtigkeit zu versorgen und die Augenmuskeln zu entspannen.
  9. Augenbewegungen: Bewegen Sie Ihre Augen langsam von links nach rechts, von oben nach unten und diagonal. Führen Sie diese Augenbewegungen mehrmals durch, um die Flexibilität der Augenmuskeln zu verbessern.
  10. Buchstabieren: Suchen Sie ein Wort oder einen Satz in der Nähe, zum Beispiel in einem Buch oder auf einem Bildschirm. Fokussieren Sie Ihre Augen auf den Text und versuchen Sie, die Buchstaben oder Wörter schnell und präzise zu identifizieren.
  11. Augenmassage: Schließen Sie Ihre Augen und massieren Sie sanft Ihre geschlossenen Augenlider in kreisenden Bewegungen. Dies kann die Durchblutung verbessern und die Augenmuskeln entspannen.
  12. Augen-Gymnastik: Halten Sie einen Bleistift in ausgestrecktem Arm vor Ihre Augen. Fokussieren Sie Ihre Augen auf den Bleistift und bringen Sie ihn langsam näher an Ihre Nase. Halten Sie den Fokus so lange wie möglich, bevor Sie ihn wieder langsam von Ihrer Nase wegbewegen. Wiederholen Sie dies mehrmals.
  13. Kontrastübungen: Betrachten Sie ein Objekt mit hohem Kontrast, wie zum Beispiel schwarze Buchstaben auf weißem Hintergrund. Schauen Sie dann auf ein Objekt mit niedrigem Kontrast, wie zum Beispiel graue Buchstaben auf einem hellgrauen Hintergrund. Wechseln Sie zwischen den beiden Objekten, um das Kontrastsehen zu trainieren.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Übungen als allgemeine Richtlinien dienen und nicht dazu gedacht sind, bestehende Sehprobleme zu behandeln. Wenn Sie spezifische Sehprobleme haben oder Fragen zum Augentraining haben, ist es ratsam, einen Augenarzt oder Optiker zu konsultieren, der individuelle Ratschläge und Empfehlungen geben kann.

Einfache Übung: Kontraste sehen
Einfache Übung: Kontraste sehen (Bitte anklicken für die Übung)

Was kann man mit Augentraining trainieren?

Um das Auge herum und im Auge befinden sich eine Reihe von Muskeln, mit denen man die Augenbewegungen steuert. Augentraining basiert darauf, diese Muskeln zu trainieren. Man kann zwei Arten von Muskeln unterscheiden: die Muskeln außerhalb des Auges sorgen dafür, dass man die Pupille nach links und rechts, oben und unten drehen kann.

Darüber hinaus befindet sich im Auge ein sehr wichtiger Muskel: der Ziliarmuskel. Dieser kontrolliert die Augenlinse, die nicht fest ist, sondern verformbar (je jünger, um so elastischer). Das ist sehr wichtig, weil man dadurch Dinge, die unterschiedlich weit entfernt sind, quasi auf scharf stellen kann. Man nennt diese Fähigkeit "Akkommodation". Dafür gibt es im Auge den sog. Ziliarmuskel, über den man die Linse aktiv verformen und anpassen kann. Dieser Muskel lässt sich theoretisch in geringem Umfang trainieren (z.B. indem man häufig zwischen Nahsicht und Fernsicht wechselt).

Akkommodation (Auge)
Akkommodation des Auges

Nur: der Ziliarmuskel ist kein Bizeps. Man kann diese Muskeln nur für eine gewisse Zeit anspannen. Und im Laufe der Zeit fällt es einem immer schwerer, weil sich die Augenlinse verfestigt (sog. Alterssichtigkeit). Es ist etwas so, als wenn man im 100 Stock eines Hochhauses wohnt - aber statt den Fahrstuhl zu nehmen, trainiert man das Treppensteigen. Klar kann man das eine zeit lang durchhalten - aber die unangemessene Anstrengung belastet auf Dauer die allgemeine Konstitution.

Ziliarmuskel (Auge)
Ziliarmuskel (angespannt und entspannt)

Wenn, dann hilft Augentraining nur gegen Alterssichtigkeit

Wie gesagt: gegen das natürlich Wachstum ist kein Kraut gewachsen. Da hilft Augentraining nur im minimalen Umfang, indem die äußeren Muskeln versuchen, die Form der Linse etwas zu verändern. Aber das ist äußerst mühsam und bringt auch nur relativ wenig. Man kann mithilfe von Augentraining auf Dauer nicht auf eine Brille verzichten.

Etwas anders stellt es sich beim Thema Alterssichtigkeit dar. Hierbei geht es darum, das langsamer Verhärten der Augenlinse durch gezielte Übungen zu verzögern. Das kann für einige Monate oder sogar Jahre funktionieren, so dass man länger in der Nahdistanz gut sehen kann.

Aber auf Dauer hilft auch das beste Training nichts. Dann braucht man eine Lesebrille oder man muss die Fehlsichtigkeit mit Augenlasern beseitigen lassen. 

Augentraining nach Leo Angart

Im Internet weit verbreitet ist Werbung für ein Buch des amerikanischen "Coaches" Leo Angart. Recherchiert man etwas genauer, dann scheint da viel aggressive Online-Werbung mitzuspielen. Die versprochene Verbesserung der Sehleistung kann jedoch auch damit nicht auf Dauer erreicht werden. Im Prinzip gilt: die gewachsene Form des Auges lässt sich mit Muskelkraft nicht verändern. Lediglich im Bereich der Akkommodation kann man ev. die Verschlechterungsphase (zwischen 40 und 50 Jahren) etwas nach hinten verschieben. Das gilt vor allem dann, wenn man nur relativ wenig Dioptrien hat.

An dem Buch von Leo Angart verdient nicht nur er selber kräftig, sondern auch viele "Affiliate-Partner", die das Buch weiterempfehlen. Was nicht heißen soll, dass es nicht im Einzelfall wirklich zu temporären Effekten kommen kann, die eine verbesserte Sehfähigkeit suggerieren.

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